Dienstag, Dezember 24, 2019

23. Dezember 2019

Not my business

Es ist Weihnachtszeit und da wird man vielleicht melancholisch, nachdenklich oder einfach nur blöd, auf jeden Fall hab ich mich dazu hinreißen lassen, einen meiner Rechner zu verkaufen. Und das war ganz schön blöd. Vor allem blöd gelaufen, denn es erwies sich als allzu exotisch, dass der Rechner einen zusätzlichen RAID-Controller verbaut hat, der sich als besonders schwierig erweisen sollte.

Aber der Reihe nach: In unserer Mailingliste erschien wieder mal einer der zahlreichen Hilferufe und verzweifelten Wehklagen auf die ich dieser Tage eher weniger reagiere. Immerhin befinde ich mich ja noch inmitten der Typo3-Hölle. Am Ende der Litanei in der Mailingliste formulierte sich der Wunsch nach einem “neuen” Gebrauchten aus. Egal welcher Reflex dadurch bei mir ausgelöst wurde, hatte ich kurzerhand ein gutes Werk vollbringen wollen und bot eine Lenovo ThinkStation S30 aus dem Jahre 2013 an, nicht ahnend, was ich damit auslöse. Das Gerät stammt aus ehemaligen Firmenbeständen, aus denen ich immer mal wieder - wenn ich nicht widerstehen kann - mal für kleines Geld gebrauchte Hardware herauskaufe. Hier handelte es sich sogar um meinen ehemaligen Sysadmin-Rechner. Da ich aber noch eine ThinkStation P500 daneben stehen habe, fiel es mir nicht schwer mich von der S30 zu trennen.

Da der Hilferuf aus der Nähe stammte hatte ich zusätzlich weniger Hemmungen den Rechner abzugeben. Ich hatte aber so ein unbestimmtes Gefühl, dass das eventuell nicht unproblematisch werden könnte. Und tatsächlich: Um die Daten auf den drei verbauten Festplatten (logisch) zu “schreddern” hab ich zuerst versucht “Darik’s Boot and Nuke” (DBAN) einzusetzen. Aber das ist so alt, dass es die SSDs und selbst die verbaute HDD nicht erkannt hatte. Also hab ich mir die Desinfec’t geschnappt und diese gestartet. Jetzt bekam ich aber Probleme mit der Video-Ausgabe. Ich bekam einfach kein Bild auf den Schirm. Selbst mit der Bootoption /nomodeset wollte das gute Stück mir kein Bild präsentieren. Also hab ich eine AMD Radeon-Karte, die hier noch herum lag, eingebaut. Das Original war eine Nvidia Quadro K4000. Ich bin ohnehin kein Freund von Nvidia Grafikkarten, weil deren LINUX-Unterstützung miserabel ist.

Die Experten-Tools auf der Desinfec’t-DVD, die ich sinnvollerweise auf mindestens zwei USB-Sticks immer dabei habe, hält das Programm dc3dd bereit, mit dessen Hilfe ich alle drei Festplatten sicher und vergleichsweise schnell mit Zufallswerten überschreiben lassen konnte. Nach wenigen Stunden war das Werk vollbracht.

Der Kauf war also schnell abgewickelt und erledigt, aber schon wenig später ereilte mich der nächste dringende Hilferuf: Der VGA-Monitor lässt sich ja nirgends anschließen. Damit hatte ich nun am allerwenigsten gerechnet. VGA - die Technik aus dem vergangenen Jahrtausend? Echt jetzt?!? Wie gut, dass ich wegen meiner vielen Raspi-Projekte immer ein paar TFT-Monitore mit möglichst vielen Anschlüssen herumstehen habe. Den konnte ich samt einer Auswahl an Kabeln sehr kurzfristig zur Verfügung stellen. Das einzig Gute an der gesamten Aktion war, dass alles immer schnell und unkompliziert abgeholt wurde.

Es dauerte auch gar nicht lange, bis das nächste Problem auftrat: Der RAID-Controller gibt als Teil des Bootvorgangs einen Screen aus, der zur Übersicht der konfigurierten RAID-Level, der erkannten Platten und einen Weg zum Setup aufzeigt. Für mich kein Ding, aber der Laie wundert sich halt. Die bereitgestellten Informationen, wie damit umzugehen sei, kamen indes nicht so recht bei meinem Gegenüber an. Ich sah mich also gezwungen, die Prozedur abzukürzen und bot mich kurzerhand als Vor-Ort-Supporter an. Zumal nun die Frage auftauchte, wie man denn ins BIOS bzw. UEFI-Menü gelangt. Ausgestattet mit einer Auswahl an USB-Sticks mit diversen Live-Distributionen und der Desinfec’t stand ich zur Abhloung bereit. Der “Shuttle-Service” war schnell, pünktlich und absolut zuverlässig und obendrein noch komfortabel, denn es regnete fast den ganzen Tag.

Dass ich die S30 so schnell wiedersehen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Die Vorgeschichte war inzwischen schon fortgeschrieben worden und so war es nicht verwunderlich, das die bereits vorgenommene Installation eines Linux-Mint 19.3 nach dem Aufruf des Setup des RAID-Controllers inzwischen nicht mehr funktionierte, weil offenbar nun mir nicht bekannte Änderungen am Setup durch den neuen Besitzer vorgenommen wurden. Der Wunsch meines Klienten war es nun Linux Mint 19.3 neben einem MSWin10 zu betreiben. Das bedeutete, zuerst musste also das Windows auf die Platte, die aber wegen des RAID-Controllers, der sich logisch zwischen der Platte und dem Mainboard befindet, nicht gefunden wurde. Die Support-Seite von Lenovo hielt zwar einen Treiber für den RAID-Controller bereit, allerdings nur bis einschließlich Windows 8.1 und nur als .exe. Ein selbstentpackendes Archiv. Zum Glück gab es im Haushalt noch einen funktionierenden Windows 10 Rechner, mit dessen Hilfe ich die Datei entpacken konnte und mit Hilfe eines USB-Sticks hin und her kopieren konnte. Aber damit ließ sich Windows 10 nicht dazu bewegen, sich installieren zu lassen. Egal was ich angestellt habe in den insgesamt dreieinhalb Stunden, das Teil fand einfach keine einzige Platte. Selbst als ich alle bis auf eine Platte vom System getrennt hatte nicht. In meiner Verzweiflung musste ich den freundlichen Shuttle noch einmal in Anspruch nehmen, um eine Win 7 DVD von zu Hause zu holen. Aber auch das war vergebens. Der Treiber für den RAID-Controller war offenbar nicht der Richtige. Erst jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, kommt mir der Gedanke, dass ich vielleicht noch mal hätte versuchen können, die Original-Homepage des Geräteherstellers des RAID-Controllers ausfindig zu machen und dort nach einem geeigneten Treiber hätte suchen können. Aber zu spät. Mein Klient hat sich inzwischen fast schon damit abgefunden ohne Windows auskommen zu müssen. Aber es gibt immer einen zweiten Weg und der bestand nun in der Virtualisierung von Windows 10.

Zuerst musste ich aber noch die brennenden Fragen meines Klienten nach dem Setup des RAID-Controllers beantworten, weil dieser ja unter dem Punkt RAID-Array ständig “Non defined” meldete und obwohl das eigentlich richtig ist, schien das für ihn nicht einleuchtend zu sein. Mein Ansatz war nun das Linux Mint zu installieren, Oracle Virtual Box nachzuinstallieren und eine Windows 10 VM zu erzeugen. Und genau so hab ich das auch gemacht. Aber nicht ohne weitere Hürden zu nehmen. Denn im BIOS waren einige Einstellungen für die vorliegende Konstellation ungeeignet. Alle (U)EFI-spezifischen Einstellungen musste nach Legacy umgestellt werden, damit das Linux sich erfolgreich hat installieren und starten lassen. Nachdem das gelungen war, war der Rest dann nur noch eine Frage der Zeit. Nun aber stellte sich heraus, dass irgendetwas mit dem mir zur Verfügung gestellten Bootmedium in Form eines USB-Sticks nicht stimmte, denn dieser tat nicht das, wofür er gedacht war: Das zu installierenden Linux Mint zu booten. Ich hatte noch einen der guten SanDisk Sticks mit einem Linux Mint 19.1 dabei, den wir einfach mit dem noch vorhandenen .iso (wiederhergestellt aus dem Papierkorb) des alten Rechners meines Klienten bespielten.

sudo dd if=/home/user/linuxmint-19.3-cinnamon-64bit.iso of=/dev/sdx && sync

sudo führt den nachfolgenden Befehl mit erhöhten (Root-) Rechten aus, if (infile) gibt den Quellpfad an (/user/ muss hier ersetzt werden durch den tatsächlichen Namen), of (outfile) gibt das Ziel an, sdx muss hier ersetzt werden durch den Wert des Ziels (z. B. sdc, sdd, sde, etc.) && kombiniert den ersten Befehl mit dem zweiten Kommando “sync” synchronisiert den Inhalt des RAM mit dem tatsächlichen Inhalt des Datenträgers, damit kein Bit verloren geht!

Ach ja, und dann waren da ja nun drei unabhängige Festplatten in dem PC. Die erste SSD (/dev/sda) haben wir so partitioniert, wie ich das immer empfehle: Je eine Partition für /boot, / (root), Swap und /home. Zusätzlich noch die beiden anderen Platten als zusätzliche Partitionen. Die zweite SSD (/dev/sdb) mit ebenfalls 256 GB unter /data und die 500 GB HDD (/dev/sdc) gemountet unter /backup für die von Timeshift erstellten Snapshots. Und weil das während der Installation im Wizard viel einfacher ist, haben wir das auch gleich so gemacht, anstatt hinterher mühevoll alles manuell nach zu konfigurieren mit mount und Anpassungen in der /etc/fstab. Das kann das System ja selber machen, wenn man im Partitionierungs-Tool im Installations-Wizard entsprechende Angaben macht.

All das aber nur, weil es zwei Programme gibt, für die es unter Linux kein Pendant zu geben scheint, die aber von meinem Klienten offenbar benötigt werden. Ein zusätzlicher Obulus und der Shuttle zurück nach Hause nebst einer Flasche Rotwein markierten dann das Ende der Aktion. Eine Kleinigkeit hat sich dann aber im Nachgang doch noch mal ergeben, denn die beiden zusätzlichen Platten sind ja nun unterhalb des Wurzelverzeichnisses / (root) eingehängt. Zum “Speichern unter …” ist das immer ein wenig umständlich im gesamten Verzeichnisbaum herum zu hüpfen, also musste mein Klient nun noch auf der Konsole zwei symbolische Links anlegen:

sudo ln -s /data data

und

sudo ln -s /backup backup

was, wenn er sich wie üblich im eigenen /home-Verzeichnis befindet, zwei zusätzliche “Verknüfungen” erzeugt, die jeweils durch einen weiteren Ordner im Dateibrowser (Konqueror, Dolphin, Nemo) mit einem kleinen Pfeil in der rechten unteren Ecke symbolisiert werden.

Für Enthusiasten

hier noch mal die ursprüngliche Konfiguration der S30 (hier noch mit Nvidia GraKa):

stippi@stippi-ThinkStation-S30:~$ sudo inxi -b
[sudo] Passwort für stippi:          
System:
  Host: stippi-ThinkStation-S30 Kernel: 4.15.0-70-generic x86_64 bits: 64 
  Desktop: Cinnamon 4.2.4 Distro: Linux Mint 19.2 Tina 
Machine:
  Type: Desktop System: LENOVO product: 056854G v: ThinkStation S30 
  serial: S4XBNW3 
  Mobo: LENOVO model: LENOVO serial: N/A BIOS: LENOVO v: A0KT61AUS 
  date: 03/27/2017 
CPU:
  Quad Core: Intel Xeon E5-1620 0 type: MT MCP speed: 3691 MHz 
  min/max: 1200/3800 MHz 
Graphics:
  Device-1: NVIDIA GK106GL [Quadro K4000] driver: nvidia v: 390.116 
  Display: server: X.Org 1.19.6 driver: nvidia 
  unloaded: fbdev,modesetting,nouveau,vesa resolution: 3840x2160~60Hz 
  OpenGL: renderer: Quadro K4000/PCIe/SSE2 v: 4.6.0 NVIDIA 390.116 
Network:
  Device-1: Intel 82579LM Gigabit Network driver: e1000e 
Drives:
  Local Storage: total: 942.71 GiB used: 43.80 GiB (4.6%) 
Info:
  Processes: 276 Uptime: 1m Memory: 31.37 GiB used: 855.3 MiB (2.7%) 
  Shell: bash inxi: 3.0.32 
stippi@stippi-ThinkStation-S30:~$ sudo inxi -m
Memory:
  RAM: total: 31.37 GiB used: 823.3 MiB (2.6%) 
  Array-1: capacity: 256 GiB note: check slots: 8 EC: Multi-bit ECC 
  Device-1: CPU0_Dimm0 size: 4 GiB speed: 1600 MT/s 
  Device-2: CPU0_Dimm1 size: 4 GiB speed: 1600 MT/s 
  Device-3: CPU0_Dimm2 size: 4 GiB speed: 1600 MT/s 
  Device-4: CPU0_Dimm3 size: 4 GiB speed: 1600 MT/s 
  Device-5: CPU0_Dimm4 size: 4 GiB speed: 1600 MT/s 
  Device-6: CPU0_Dimm5 size: 4 GiB speed: 1600 MT/s 
  Device-7: CPU0_Dimm6 size: 4 GiB speed: 1600 MT/s 
  Device-8: CPU0_Dimm7 size: 4 GiB speed: 1600 MT/s 
stippi@stippi-ThinkStation-S30:~$ sudo inxi -D
Drives:
  Local Storage: total: 942.71 GiB used: 43.80 GiB (4.6%) 
  ID-1: /dev/sda vendor: Samsung model: SSD 840 PRO Series size: 238.47 GiB 
  ID-2: /dev/sdb vendor: Samsung model: SSD 840 PRO Series size: 238.47 GiB 
  ID-3: /dev/sdc vendor: Hitachi model: HDP725050GLA360 size: 465.76 GiB 
stippi@stippi-ThinkStation-S30:~$ 

Da stellt sich mir die Frage, wie ich das damals installiert bekommen habe. :-D